Real Life – ein schwieriger Roman, der tiefgreifende Probleme anspricht, ohne einen in seinen Bann zu schlagen.
Titel: Real Life – Roman
Autor: Brandon Taylor
ISBN: 9783492059589
Roman
Bewertung
Inhalt:
Über die Sprengkraft der Diskriminierung
Ein Spätsommerabend bei Freunden, man plaudert und sagt: Wallace könne froh sein, es als einziger Schwarzer an der Uni zum Biochemie-Doktoranden gebracht zu haben. Selbst die, die ihm angeblich nahestehen, sehen oft nicht mehr als die Farbe seiner Haut. Als sein Vater stirbt, brechen die Erinnerungen über Wallace herein: an eine Kindheit in Alabama, die ihrem Elend nicht gewachsene, trinkende Mutter und den kühlen, seltsam unbeteiligten Vater. All das hat Wallace hinter sich gelassen. Doch noch immer spürt er die Kluft der Scham, die ihn von seinen Freunden trennt. Und nicht zuletzt von Miller, mit dem er eine heimliche Affäre beginnt.
Meine Meinung:
Wie wir wissen, sind Manbooker Prize Bücher selten leichte Kost für zwischendurch. Manche reißen einen mit, während andere einen mit Fragezeichen im Kopf zurück lassen.
Wallace ist Biolochemie Doktorand an einer Uni im mittleren Westen. Er ist in seinem Leben vielen Formen von Diskrimierung ausgesetzt, die er in den wenigen Tagen in denen das Buch spielt, mal mehr mal weniger erfolgreich versucht zu umschiffen. Zusätzlich belastet ihn der Wunsch vor der Vergangenheit zu fliehen und die Trauer um seinen verstorbenen Vater, obwohl er nicht einmal ein gutes Verhältnis zu diesem hatte. Wallace sinniert über seine Vergangenheit, über Gegenwart und Zukunft. Dabei liebt er, leidet er, lebt er – als Individuum in einer Gesellschaft, die Minderheiten wegen allen möglichen Faktoren ausschließt. Wallace muss sich nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit anderen auseinandersetzen. Mit der scheinbaren Freundlichkeit seiner Freunde, ihren Problemen, ihren Komplexen, etc. Ausserdem ist Wallace ein schwarzer schwuler Mann in einer vermeintlich post-rassistischen, post-homophoben Welt, in der es keine Besserung zu geben scheint.
Wallace
Wallace ist ein schwieriger Charakter. Einer, den man weder richtig verstehen, noch wirklich gern haben kann. Ich muss gestehen, ich konnte mich leider nicht in ihn hineinversetzen. Zum einen ist er sehr devot und entschuldigt sich ständig bei allen. Dabei sollte er wütend sein. Wütend auf seine Freunde, seine Laborkolleginnen und die Ungerechtigkeiten die ihm von potentiellen Partnern widerfahren. Er wirkt zeitweise farblos und desinteressiert in einer Geschichte, in der er der Hauptcharakter ist. Der Mensch, der das Geschehen antreiben und zum Wandel bewegen sollte.
RESUME
Ich muss sagen, dass der Roman mich nicht wirklich mitreißen konnte. ich hatte mir ein ähnliches Erlebnis wie bei “Ein wenig Leben” erhofft. Ich wurde allerdings ein wenig enttäuscht. Zum einen weil ich den Schmerz von Wallace nicht immer nachempfinden konnte. Aber auch weil der Autor meiner Meinung nach zu viele komplexe Themen und Problematiken in eine viel zu kurze Zeitspanne hineinquetschend wollte. Allerdings schmälert all das nicht die Wichtigkeit und die Relevanz dieses Buches. Wenn ich es zu einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben gelesen hätte, in der ich einen leereren Kopf hätte und mehr Zeit das gelesene zu verarbeiten, hätte es mir vermutlich deutlich besser gefallen. Real Life ist schwergliedrig und dennoch wichtig, ehrlich und schonungslos.
Real Life ist ein überaus menschliches Buch, welches davon handelt, wie man mit Schuld und Traumata umgeht, aber auch ob man darüber hinwegkommen kann. Es geht aber auch um Selbstfindung und darum, mit der eigenen Depression und den Dämonen der Vergangenheit umgehen zu lernen.
Der Roman war stellenweise dichterisch schön, und metaphorisch komplex, wenn es um die Beschreibung bestimmter Stimmungen ging. Dennoch war mir der Grundtenor zu düster, die Leiden zu schwer, der Fatalismus der jungen Menschen zu viel. Zu viel Verfall, zu viel Tod, zu viel sinnlose Gewalt. Ich hätte mir einfach mehr Leichtigkeit und einen kleinen Hoffnungsschimmer für Wallace gewünscht – und somit auch für mich.
(Das der Verlag mir “Real Life” als Rezensionsexemplar zukommen ließ hat meine Meinung in keinster Weise beeinflusst.)
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